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Re: Geraeuschgewirr



Hallo zusammen,

mit Interesse habe ich die bisherigen Beitraege zu diesem Thema verfolgt und
ich freue mich darueber, dass in Fblinu auch einmal so etwas diskutiert wird.

Soweit ich das verstanden habe, sind aus christians Frage nun zwei
Diskussionsansaetze entstanden:

1. Das eher physikalische Problem des Geraeuschquellensortierens
2. Das eher soziale Problem in einem grossen menschengewirr den Kontakt
   aufrecht zu erhalten, bzw. zu knuepfen.

Vielleicht sollte ich erst kurz zu mir was sagen, bevor ich mich zu den
beiden Punkten aeussere. Ich war von Geburt an sehbehindert und mein Sehrest
wurde im Laufe der Jahre immer geringer, so dass ich im Alter von 18 Jahren
voellig erblindet bin. Seit Oktober 1995 studiere ich an der Uni in
Heidelberg und wohne hier in einem Wohnheim. Zuvor lebte ich in Marburg an
der Lahn, wo sich mein Bekannten- und Freundeskreis weitestgehend aus
Leuten zusammensetzte, die ebenfalls blind oder sehbehindert waren. Zu
jener Zeit habe ich ueber solche Themen noch nicht viel nachgedacht. Wenn
man sich verabredete war klar, dass der Treffpunkt gut zu finden sein muss
und besonders laute Kneipen wurden gemieden. Irgendwann wurde mir Marburg
"zu eng" und ich beschloss mein Studium in einer anderen Stadt zu beginnen.
Neben der neuen Stadt und der neuen Aufgabe, kamen noch viele weitere
Veraenderungen hinzu. Hier in Heidelberg habe ich nur sehr wenig Kontakt mit
anderen blinden/sehbehinderten Studenten. Zuerst stoerte mich das nicht
besonders. Aber nach und nach fielen mir immer mehr Situationen auf, wo ich
wegen meiner "Sonderrolle" ins gruebeln kam - und natuerlich immer noch
komme.

Zu 1:
Dem was hier bereits mehrfach berichtet wurde, kann ich mich nur
anschliessen. Auch mir faellt es schwer in einer lauten Geraeuschkulisse meine
Gespraechspartner herauszufiltern. Selbst wenn mir das einigermassen gelingt,
so gelingt mir das aber nur mit einem gehoerigen Mass an Konzentration, so
dass ich manchmal nach ein oder zwei Stunden am Ende bin und mich entweder
aus dem Gespraech rausziehe, oder gar die Runde verlasse. Bei guten Freunden
mache ich manchmal auf die Problematik aufmerksam. Gelegentlich koennen so
Kleinigkeiten etwas abhilfe schaffen. Z.B. so umsetzen, dass ich die
Lautsprecherbox nicht mehr im Ruecken habe oder in eine Ecke umziehen. Auch
als hilfreich finde ich das verstopfen der Ohren mit kleinen Kuegelchen aus
Papiertaschentuch. Dies daemmt die Geraeuschkulisse etwas ab. Das Klangbild
ist nicht mehr so scharf, wobei die Stimmen in unmittelbarer Naehe immer
noch relativ verstaendlich bleiben. Ich habe den Eindruck (was hier auch
schon angeklungen ist), dass das Betrachten der anderen Gespraechspersonen
fuer das filtern aeusserst hilfreich ist. Bekannte, die ich gebeten habe sich
einmal nur aufs Gehoer zu verlassen, berichteten, ihnen seien alle
Nebengeraeusche wahnsinnig laut vorgekommen und das Zuhoeren habe ihnen
extreme Schwierigkeiten bereitet.

Zu 2:
Das ist eine Thematik, mit der ich mich hier schon haeufig auseinandersetzen
musste. Bei groesseren Partys habe ich schon oft einiges an Frust wegstecken
muessen, weil das mit der Kontaktaufnahme eben nicht immer so toll
funktioniert. ich fuehle mich in eine passive Rolle gedraengt, was mich
nervt, denn eigentlich gehe ich auf Leute zu. Dann stehe ich irgendwo, mit
einem Bier in der Hand, herum und warte, dass sich vieleicht etwas tut.
Manchmal habe ich Glueck und Jemand den ich kenne, oder der mich nett
findet, kommt vorbei, oftmals aber nicht und dann steh ich da oder geh eben
ein bisschen Tanzen. Tja, und wenn ich fuer meinen Geschmack genug
herumgestanden bin, gebe ich auf und verschwinde. Das klingt jetzt ziemlich
negativ, war's auch oft schon. ich habe fuer mich die Konsequenz daraus
gezogen, dass ich zu grossen Partys nicht mehr alleine hingehe. ,

sehr selten gelang es mir auf solchen Grossveranstaltungen mich irgendwo
einzuklinken. Wenn ueberhaupt, dann nur in Bereichen, wo es etwas ruhiger
war. Je kleiner, bzw. leiser, die Veranstaltung ist, umso einfacher geht
das. Die besten Erfahrungen habe ich auf irgendwelchen Wohnungsstehpartys
gemacht. ich versuche irgendwelchen Leuten zuzuhoeren und geh dann
dazwischen. Wenn ich irgendwo dabei stehe "verheimliche" ich nicht, dass ich
zuhoere. Dreh mich also zu ihnen hin und lache beispielsweise, wenn einer
etwas lustiges erzaehlt. ich moechte die Leute ja nicht ueberrumpeln und
sollte ihnen das bereits unangenehm sein, so wuerden sie bestimmt mich nicht
in ihr Gespraech miteinbeziehen wollen. Wenn mir die Situation sympatisch
erscheint, sage ich irgendwas zu dem Gespraechsthema. Das haengt natuerlich
immer von dem jeweiligen Kontext ab, aber in der Regel werfe ich eine
Aussage in den Raum. Dann schaue ich mir an, wie sie reagieren. Schauen sie
nur kurz rueber und meinen "ah ja, schon..." oder sprechen sie mich an. Bei
Ersterem wende ich mich diskret ab und versuch mein Glueck woanders.
Natuerlich geht das manchmal auch daneben und mir ist das dann auch etwas
peinlich, aber ich denke, ein bisschen Risiko gehoert eben dazu.

bis dann

cau   Micha