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Re: Geraeuschgewirr



Hallo Christian!

Ich denke, es geht uns allen so wie dir. Sehende koennen sich noch
miteinander unterhalten, waerend wir wegen der Nebengeraeusche nichts mehr
mitbekommen. 

Aus meiner eigenen Erfahrung mit Sehen erklaere ich mir das wie folgt:

Zum einen werten Sehende die Mimik und Gestik des Sprechers aus. Diese
Ausdrucksmittel unterstreichen ganz erheblich das Gesagte, vorallem,
wenn das Thema klar ist.

Ausserdem koennen Sehende tatsaechlich (in Grenzen) von den Lippen ablesen.
I.d.R. werden sie zwar keine ganzen Saetze ohne Ton und
Gespraechszusammenhang verstehen. Bei einem Bekannten Kontext und der
entsprechenden Reaktionserwartung koennen sie aber die Sprechbewegung
deuten.

Ein Gespraech laeuft immer in einer ganz starken Kontexterwartung ab. 
Fragt beispielsweise in einem bekannten Gespraechszusammenhang der eine
"Wer?" und der Gespraechskontext laesst nur die Anworten "du" oder "ich"
zu, faellt es einem Sehenden nicht schwer, an Mimik und der Mundhaltung
zu entscheiden, ob das Gegenueber mit "du" oder "ich" reagiert hat, auch
wenn das rein akustisch nicht mehr zu deuten ist.

Ich fuerchte, es gibt fuer dieses Problem keine Loesung. Damit muessen wir
leben.

Deine Frage versetzt mich uebrigens in grosses Erstaunen. Du scheinst
deine Lebenssituation sehr nuechtern zu analysieren. Immer, wenn ich auf
meine blinden Zeitgenossen treffe, stilisieren diese ihre besonderen
Faehigkeiten, das innere Auge fuer's Wesentliche, die besondere
Sensibilitaet, und ihr aussergewoehnliches Hoeren. 
Ich kann die Kompensationsbeduerfnisse, die dahinter stecken natuerlich
verstehen. Auch mir geht es auf den Zwickel, staendig geduzt zu werden,
mich am Arm eines anderen als ausgewachsener Mann wie ein Kleinkind
bewegen zu muessen, von der Sprechstundenhilfe gefragt zu werden, bei wem
ich denn mitversichert sei...
Es gelingt mir trotzdem nicht, aus der Tatsache, dass ich nicht sehen
kann abzuleiten, ich koenne etwas anderes daher besonders gut.

Gruss Gerd Heimann

Christian Gerhardt schrieb:
> 
> Hallo, schon wieder ich!
> 
> Mir stellt sich des oefteren eine Frage, welche vermutlich einige
> sehbehinderte Menschen beschaeftigt. Aufgrund der Tatsache, dass das Sehen
> eingeschraenkt ist, konzentriert sich die Wahrnehmung staerker auf das
> Hoeren und hierbei ergibt sich fuer mich sehr oft ein Problem. Mein Gehoer
> funktioniert relativ gut, aber es faellt mir doch schwer, Informationen
> aus einem Geraeuschgewirr zu filtern. Dies passiert mir ganz oft. Ich
> kann mich manchmal nicht einmal richtig mit jemandem unterhalten, weil
> ich saemtliche Nebengeraeusche fast besser hoere, als denjenigen, mit dem
> ich gerade rede. Habt Ihr dieses Problem auch? Wenn ja interessiert
> mich, was man dagegen tun kann. Waere nett, wenn irgend jemand darauf
> antworten koennte.
> 
> Bis bald, sagt
> Christian