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Re: Schulbildung WAS: NF-Umschalter



Hallo Matthias, hallo alle,

-----Urspruengliche Nachricht-----
Von: Matthias Haenel <kontakt_bEi_matthias-haenel.de>
An: <fblinu_bEi_mvmpc100.ciw.uni-karlsruhe.de>
Gesendet: Donnerstag, 16. September 1999 22:40
Betreff: Schulbildung WAS: NF-Umschalter


> > (Niederfrequenz) gibt, weiss heute eigentlich jeder mittelmaessig an
> > Naturwissenschaften interessierte Schueler. Dass diese Faecher auf
> > Blindenschulen straeflich vernachlaessigt werden, ist ne andere Sache


> Hallo Andreas! Ich bin sicher, dass es auch sehende mit Abitur ausgeruestete
> Mitmenschen gibt, die mit diesen Begriffen nichts anfangen koennen. In
> diesen Faellen ist man gemeigt, dies kommentarlos zur Kenntnis zu nehmen.
> Fehlt ein entsprechendes Wissen in unseren Kreisen, zweifelt man gleich an
> der Qualitaet der Schulbildung seitens der Blindenschulen. Da Lehrer nicht

da magst Du recht haben - ich beurteile natuerlich von meinen
Schulerfahrungen aus, und die sind aus den 70- und 80-er Jahren - genau
genommen hab ich eine kleine "Schulodysee"  hinter mir: als ich noch sehen
konnte, galt ich als Grenzfall zwischen Sehbehinderung und
Normalsichtigkeit. Das fuehrte zu haeufigeren Schulwechseln, nach der
Erblindung dann die "echte" Blindenschule (Blista Marburg).

Damals hatte ich bereits auf der Sehbehinderten-Realschule in Berlin
(Hermann-Herzog-Schule, Wedding)  einen guten Mathematikunterricht und
allgemein guten Unterricht in naturwissenschaftlichen Faechern.  Dass ich
davon auch was behalten hab, liegt sicher  auch an dem starken persoenlichen
Interesse: aber die Schule hatte das Angebot. Ebenso die
Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg (da waere es von wegen des Namenspatrons
auch ein Unding, wenn nicht).

Aber auch die Blista bot da in den 70ern und fruehen 80ern viel: neben einem
guten Kursangebot in der Oberstufe auch Freizeit-AGs.

Mein Wissen ueber die heutige Situation an Blindenschulen stammt von
Schuelern, die dort zur Zeit beschult werden oder in den 90ern wurden Was mir
an deren Schilderungen negativ aufgefallen ist:

es werden jahrgangsuebergreifende Klassen gebildet, wie auf einer
Zwergschule.
Es werden auch offensichtlich lernbehinderte Schueler in den Regelklassen mit
"durchgezogen", was zu Lasten der normalbegabten Schueler geht.
Das Lernpensum an den Blindenschulen haengt gut ein halbes Schuljahrhr hinter
dem vergleichbarer Jahrgaenge auf Regelschulen hinterher - so haben mir z.B.
Leute berichtet, die von der Hamburger Blindenschule auf die
Heinrich-Hertz-Schule wechselten. Und das auch in Englisch, also nicht nur
in den naturwissenschaftlichen Faechern.

Natuerlich: der BdI und andere Unternehmerverbaende, aber auch die
Hochschulrektorenkonferenz haben das Bildungsniveau an den
allgemeinbildenden Schulen schn oefter heftig kritisiert:  mangelhafte
Fertigkeiten in Grundkenntnissen der deutschen Sprache, der Mathematik,
Naturwissenschaften, Fremdsprachen.  All das iind heute
Schluesselfertigkeiten fuer ein Zurechtfinden in der modernen Lebens- und
Arbeitswelt - gerade auch technische und naturwissenschaftliche
Grundkenntnisse, wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse und
Sprachkenntnisse, sowohl im Deutschen wie auch in Fremdsprachen.

Warum ich denn bei Blindenschulen besonders kritisch bin?

Weil ein Blinder - und das gilt wohl auch fuer andere Behinderte, egal, ob
mobilitaetsbehindert oder sinnesgeschaedigt - eben nur seinen Kopf hat um die
Behinderung zu kompensieren: sowohl bei der Bewaeltigung des Alltags wie auch
beim Konkurrenzkampf mit den nicht-Behinderten in der Arbeitswelt.

Daher sollten die sprachlichen, mathematischen Faehigkeiten, die Faehigkeit
zum Erfassen abstrakter Sachverhalte (auch ohne Zurhilfenahme bunter
Bildchen) , die Faehigkeit zum schnellen Umdenken und Lernen gerade bei
behinderten Schuelern gefoerdert werden. Nur so sind sie meiner Meinung nach -
und ich bin nun schon ein paar Jahre unter lauter sehenden Kollegen im
Beruf - faehig, sich den Anforderungen des modernen, ueberwiegend
"kopfbetonten" Arbeitslebens anzupassen.

Da sind jahrgangsuebergreifende Klassen oder Beschulung zusammen mit
lernschwachen Schuelern wenig foerderlich.

Ein Lehrer in marburg (Karl Britz, wer ihn noch kennt), sagte einst, dass ein
Blinder mehr leisten muesse, um den gleichen Platz einnehemn zu koennen wie
ein sehender Mitbewerber.  Damals hab ich ihm aus Unwissenheit heraus
widersprochen - heut muss ich ihm rechtgeben.

Nach dem, was ich von den Leuten, die heut auf Blindenschulen gehn, hoerte -
ich sprach hauptsaechlich mit Leeuten aus Hamburg, aber auch mit einem, der
jetzt auf der Blista ist und einem, der in Soest war - sieht es da nicht
gerade optimal aus.


Gruss

Andreas